Werkzeug Pferdedentistik
Werkzeug der Pferdedentistik
Wir reden hier vom Werkzeug der Pferdedentistik – oder Pferdedentalpraktik oder Pferdezahnpflege, wie sie auch bezeichnet wird. Darunter versteht man alle Zahnbearbeitungen, die ohne Durchtrennung von Gewebe erfolgen. Dieses ist den Tierärzten vorbehalten. Somit entfallen alle Extraktionen oder Operationen und damit auch die Vielzahl von Operationsbesteck.
Für die Positionierung des Pferdekopfes gibt es zwei Möglichkeiten: von oben oder von unten. Entweder, man hängt den Pferdekopf mit einem speziellen Dentalhalfter auf. Dazu benötigt man einen stabilen Balken über dem Kopf. Oft wird dazu die Führungsschiene der Box genutzt. Das birgt natürlich Gefahren, wenn sich das Pferd losreißen möchte und dann mit dem Kopf nach oben im Halfter hängt.
Beim sedierten Pferd kommt so etwas nicht vor. Die andere Möglichkeit ist ein modifizierter Hufbock, dessen Standrohr einfach verlängert und mit einer Aufnahmegabel versehen wurde.
Hier sollte man immer ein Auge auf den Ständer haben, damit er nicht kippt und so dem Pferdschädel eine unschöne Talfahrt verschafft. Zwischen den einzelnen Bearbeitungsintervallen sollte man den Pferdekopf absenken, um es dem Pferd so bequem wie möglich zu machen. Außerdem muß das Maul immer wieder ausgespült werden, was natürlich nicht unkontrolliert in den Rachen, sondern nach draußen laufen sollte. Die entsprechende Positionsänderung ist mit dem Halfter leichter zu bewerkstelligen, als mit dem Ständer.
Sodann muß das Pferdemaul für die Bearbeitung in geöffnetem Zustand fixiert werden. Dazu verwendet man Maulgatter. Hier haben sich verschiedene Modelle bewährt, bei denen die Schneidezähne auf einer Platte aufliegen.
Die Gebißplatten gibt es auch in speziellen Über- bzw. Untergrößen für Kaltblüter und Ponies. Der Öffnungswinkel wird über eine Schiene mit Metallzähnen passend fürs Pferd eingestellt.
Einfache Maulgatter haben nur etwa fünf Zähne. Die besseren Geräte haben deren etwa zwanzig. Durch die präzisere Anpassung kann ein für Pferd und Pferdedentist gleichermaßen komfortables Arbeitsumfeld geschaffen werden. Gerade bei den vielzahningen Maulgattern sind irgendwann die Zähne abgeschlissen – das ganze Maulgatter muß ersetzt werden. Ein teurer Spaß. Daher bietet ein Hersteller sein Maulgatter mit auswechselbarer Zahnstange an.
Ganz edel ist die Lösung eines anderen Herstellers, der seine Maulgatter stufenlos anbietet. Immer wieder im Einsatz sieht man Maulgatter, deren Öffnungswinkel über Schraubgewinde fixiert werden. Das mehrmalige Öffnen und Schließen während der Behandlung ist hiermit aber eher umständlich. Für die Bearbeitung der Schneidezähne können spezielle Gaumenauflagen eingesetzt werden. Ab und zu werden auch sog. Maulkeile eingesetzt. Wer versucht, Ihrem Pferd einen einseitigen Maulkeil einzuschieben oder gar eine Metallspirale, sollte unverzüglich eine Wegbeschreibung nach St. Nimmerlein erhalten. Welchen Schaden solche Keile bei einseitiger Verwendung an dem gegenüberliegenden Kiefergelenk anrichten können ist leicht vorstellbar. Genauso wie die Schäden an den Zähnen durch einen herzhaften Biß auf die Metallspirale.
„Es werde Licht“ ist ein oft gehörter Stoßseufzer der Pferdedentisten. Die Maulhöhle ist lang, eng und dunkel. Beleuchtung ist daher sehr wichtig. Amateure erkennen Sie an der Strinleuchte aus dem Baumarkt zu 5 €. Die Lichtausbeute ist bescheiden, sie ist nicht staub- und wasserdicht und wird gerne mal heiß. Alles dies kann eine Profilampe besser, kostet dafür aber auch gerne mal das Hundertfache. Der Sitz am Kopf ist sehr wichtig. Die Verstellung sollte nicht über ein Gummiband erfolgen, sondern über ein entsprechendes Gestell. Immer üblicher wird die Positionierung des eigentlichen Strahlers über der Nasenwurzel zur besseren Ausleuchtung der Maulhöhle. Ganz andere Wege geht die Maulgatterleuchte. Sie wird permanent auf der Unterseite der oberen Gebißplatte des Maulgatters fixiert.
Bestes Licht im Maul ist das Resultat – die Beeinträchtigung durch das eingeschränkte Blickfeld zu vernachlässigen. Sobald die Schneidezähne dran kommen, ist man allerdings wieder auf die konventionelle Kopflampe angewiesen. Raspeln per Hand oder Motor ist die eigentliche Tätigkeit der Pferdedentistik. Die Raspeln unterscheiden sich in ihrer Form und in der Beschaffenheit der Klinge. Bedingt durch die Form des Pferdemauls und der Zahnreihen gibt es unterschiedlich lange Raspeln, die sich für unterschiedlich weit im Maul gelegene Zähne eignen. Da das Gebiß nach hinten ansteigt, benötigt man zudem unterschiedlich gekröpfte und gebogene Raspeln. Ein Standardset umfaßt etwa acht verschiedene Raspeln. Raspeln mit nicht austauschbaren Klingen spenden Sie am besten für den Flohmarkt. Die einfachen Klingen bestehen aus einem Hartmetallgranulat. Die Profiklingen bestehen aus Carbid in die das Klingenraster mit unterschiedlichen Schärfengraden eingefräst wurde.
Elektrische Zahnraspeln sind für den Profi kein Luxus, sondern Arbeitserleichterung und Präzisionswerkzeug gleichermaßen. Für das Pferd sind elektrische Raspeln vor allem bei den Backenzähnen deutlich verletzungsärmer, da die beweglichen Teile eingekapselt sind oder bei der Anwendung von der Backe entfernt gehalten werden. Handraspeln sind hier deutlich verletzungsintensiver. Der Antrieb erfolgt über eine flexible Welle oder Anbau an eine konventionelle Bohrmaschine. Der Raspelschaft wird fest an eine Bohrmaschine Bosch angebaut.
Am Ende des Schaftes rotiert in einem geschützten Kopf eine Karbidscheibe, eine diamantbeschichtete Scheibe oder eine flache Zylinderfräse.
Es gibt die unterschiedlichsten Einsätze. So dient der Applecore speziell der Bearbeitung der Trensenlage. Vor einigen Jahren wurde ein Fräser wieder belebt, den man auf einem alten deutschen Lehrfilm entdeckt hatte.
In den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts war Deutschland – vor allem die Tierärtzliche Hochschule Hannover – weltweit führend in der Pferdezahnbearbeitung und den elektrischen Schleifmaschinen. Dort hatte man den Backenbohrer entwickelt. Durch seine glatte Rückseite kann man die Zahnreihen auch von außen bearbeiten. Dadurch kann man die unerwünschten Haken und Kanten abschleifen und läuft trotzdem keine Gefahr, die Backenschleimhaut zu verletzen.
Die elektrischen Raspeln arbeiten sehr effektiv. Mit der unvermeidlichen Hitze kann allerdings die Zahnhöhle eröffnet werden. Abhilfe schafft hier seit einigen Jahren Wasserspülung, die man an den Raspelschaft bauen kann. In jüngerer Vergangenheit haben den Markt Akku-Geräte erreicht, wodurch sich der Aktionsradius des Pferdedentisten erweitert hat.
Das fortwährende Hantieren mit geschätzt zusätzlichen 2 kg in Schulterhöhe ist aus Blickwinkel der Gesundheitsvorsorge allerdings eher zweifelhaft. Am stärksten verbreitet ist der Antrieb über eine flexible Welle. Diese wird von einem externen Motor zum Schaft der Zahnraspel geführt.
Die Drehzahl läßt sich über ein Fußpedal regeln.
Es gibt neben der zumeist 40 – 50 cm messenden Langversion der Zahnraspel inzwischen auch gebogene
für den besseren Zugang zu den hinteren Backenzähnen sowie kurze Handstücke für die Schneidezähne.
Die verschiedenen Raspel-Endgeräte lassen sich leicht austauschen. Beim Antrieb durch eine Bohrmaschine hat man diese Möglichkeit leider nicht. Es gibt allerdings verschiedene Wellensysteme, was die Kombination der Endgeräte verschiedener Hersteller erschwert. Sorgsame Reinigung und Pflege der Geräte mit speziellem Öl für die Welle und Fett für den Raspelschaft nach jedem Einsatz ist unbedingt erforderlich.
Mit der flexiblen Welle können auch verschiedene kurze Handstücke betrieben werden, die man zur Bearbeitung der Schneidezähne benötigt.
Wer die Anschaffung der langen Zahnraspel scheut, sollte zumindest in die kurzen Handstücke und einige Vorsätze investieren. An den Schneidezähnen muß das meiste Material abgenommen werden. Das strengt besonders an. Für die kurzen Handstücke werden etwas andere Aufsätze benötigt, die in das Futter eingespannt werden. Neu hinzu kommen Trennscheiben, da das zu entfernenden Zahnmaterial oft so umfangreich ist, dass sich eine Trennscheibe lohnt.
Zahl und From der Zangen sind mannigfaltig. Da die Pferdedentistik keine Zähne zieht, wird aber nur eine kleine zum Entfernen von Partikeln
und eine etwas größere zum Enfernen der Milchzahnkappen benötigt.
Nützlich zur Betrachtung versteckter Ecken kann ein Untersuchungsspiegel mit drehbarem Kopf sein.
In jüngerer Vergangenheit finden Endoskopkameras Eingang in die Werkzeugkiste.
Sie lassen sich an einen Laptop anschließen, was der Patientendokumentation ganz neue Perspektiven erschließt und hilft, den oftmals ratlosen Pferdebesitzern zu veranschaulichen, was am Gebiß zu tun ist.
Sogar beim Wassereimer des Pferdedentisten darf es etwas besonderes sein: Edelstahl. Befinden sich darin doch die wertvollen Handraspeln, die nicht rosten sollen. Edelstahleimer sind genauso wie die benötigte Eingabespritze im gut sortierten Landhandel erhältlich.
Nach so viel Schutz fürs Pferd, darf auch der Pferdedentist nicht ungeschützt bleiben. Neben den selbstverständlichen Sicherheitsschuhen darf er sich über einen Gehörschutz gegen die auf Dauer doch recht lauten Geräusche bei der Zahnbearbeitung und eine Staubmaske gegen die dabei reichlich entstehenden Stäube freuen.
Das Werkzeug ist die Visitenkarte eines jeden Pferdedentisten. Ist es von minderer Qualität, ungepflegt oder in nur geringer Auswahl vorhanden, steht vor Ihnen jemand, der wahrscheinlich auch wenig Sorgfalt auf die Bearbeitung ihres Pferdes legt. Möglicherweise reichen die Umsätze nicht für eine entsprechende Ausstattung. Ein sehr schlecht ausgestatteter Dentist ist vermutlich unerfahren und eher zur Gattung ambitionierte Do-it-yourself-Amateure zu rechnen. Dafür ist die Behandlung vermutlich sehr billig. Aber glauben sie, er oder sie kann nach einem Bearbeitungsfehler die fällige Korrektur bei einem Profi bezahlen?